Seelische Stabilität erhalten
in instabilen Zeiten
– eine wesentliche Aufgabe für den Heilpraktiker für Psychotherapie –
Körperliche Gesundheit erhalten, Risikopatienten schützen, Neuinfektionen reduzieren, Impfangebote schaffen – dies sind die stetig präsenten Themen unserer aktuellen Zeit. Der Erhalt unserer seelischen Stabilität und damit unserer psychischen Gesundheit sollte dabei nicht aus dem Fokus geraten. Denn wie uns der psychosomatische Ansatz lehrt, funktionieren Körper und Seele nur im Einklang miteinander.
Eine Zeit der Herausforderungen
Die aktuelle Zeit löst Unsicherheit aus, Beklemmungsgefühle, Ängste vor dem Virus, aber auch vor den damit einhergehenden einschneidenden Veränderungen in unserem täglichen Leben…
Davon sind wir alle betroffen – wie wir damit umgehen ist jedoch sehr individuell. Dies hängt von unserer generellen seelischen Konstitution ab; davon, wie resilient (psychisch widerstandsfähig) wir sind, welche Bewältigungsstrategien wir für schwierige Lebenssituationen bereits entwickeln konnten und ob wir sozialen und familiären Rückhalt erfahren.
Für Menschen, welche bereits seelisch vorbelastet sind durch eine psychische Erkrankung, kaum soziale und emotionale Unterstützung erfahren oder sich schon vor der Pandemie mit existenziellen Ängsten konfrontiert sehen, erscheinen die aktuellen täglichen Herausforderungen unüberwindbar.
In meiner Arbeit mit psychisch Erkrankten im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens beobachte ich eine Zunahme diverser Symptomatiken:
- Angstpatienten, deren hypochondrische Befürchtungen nun eine scheinbare Legitimation erhalten, die sich auch langfristig nicht mehr zutrauen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – aus Angst vor Ansteckung, aber auch aus sozialen Ängsten und aus Mangel an gesellschaftlichen Erprobungsräumen seit vielen Monaten.
- Menschen mit Depressionen, welche sich bereits vor dem ersten Lockdown sozial zurückgezogen haben, deren Freud- und Antriebslosigkeit sich weiter manifestiert hat und die sich nun mit pessimistischen Zukunftsgedanken alleine gelassen fühlen.
- Menschen mit Störungen der Impulskontrolle (zwanghafte Wiederholung bestimmter Handlungen), welche aktuell keine Möglichkeit haben, innere Anspannungszustände nach außen abzuführen.
Dabei sprechen aktuelle Studien verschiedener Krankenkassen für sich:
Über 80% der niedergelassenen Psychiater und Psychotherapeuten stellen bei ihren Patienten häufiger Probleme mit Angstzuständen und Depressionen fest. Auch Fälle somatischer Beschwerden – also psychische Beeinträchtigungen, die sich auf das körperliche Wohlbefinden auswirken – nehmen zu: Müdigkeit, Erschöpfung und Schmerzsyndrome ohne organische Ursache. Weitere 70% der befragten Ärzte beobachteten zudem eine deutliche Zunahme von Schlafstörungen seit Beginn der Pandemie.
Versorgungsmangel bei stetig steigendem Bedarf
Einhergehend mit der Zunahme psychischer Belastungen sind jedoch auch die Wartezeiten für eine ambulante Psychotherapie auf durchschnittlich 22 Wochen gestiegen, wie eine aktuelle Umfrage des Verbands für psychologische Psychotherapeuten zeigt. Mein Arbeitsalltag zeigt jedoch, dass viele meiner Klienten bereits seit 2 Jahren auf einen ambulanten Therapieplatz warten. Eine häufigere und längere Verweildauer in Psychiatrischen Kliniken ist nicht selten die Folge.
Hier zeigt sich ein enormer Versorgungsmangel bei einem stetig steigenden Bedarf an therapeutischen Angeboten. Dabei geht es nicht immer darum, Patienten mit komplexen psychiatrischen Beschwerdebildern zu behandeln, sondern Menschen in dieser schwierigen Zeit zur Seite zu stehen, Beratungsangebote zu schaffen und Strategien für den Alltag zu entwickeln, um einer weiteren seelischen Destabilisierung entgegen zu wirken.
Ein Beruf mit Zukunft
Die aktuelle Situation zeigt uns deutlich, dass der Beruf des Heilpraktikers und insbesondere des Heilpraktikers für Psychotherapie zunehmend an Bedeutung gewinnen sollte. Die psychiatrische Versorgungslücke, welche bereits vor der Pandemie bestand und sich in den letzten Monaten spürbar verschärft hat, muss dringend aufgefangen werden – dies geschieht nicht zuletzt durch gut ausgebildete Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologische Berater / Coaches.
Als Heilpraktikerschule Westfalen sehen wir unsere große Verantwortung, ein ganzheitliches Ausbildungsangebot zu schaffen und kompetente Heilpraktiker für Psychotherapie auszubilden, um diese Versorgungslücke ein Stück weit zu schließen.
Ein Gastbeitrag von HP (Psych.) Regine Schare